Hinweis: Dieser Artikel ist älter als 3 Jahre
Inhalte, Quelltexte oder Links können zwischenzeitlich überholt sein.
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Herzlich Willkommen bei meiner neuen Blog-Serie und gleichzeitig Reisebericht. Nach über 12 Jahren mit Apple iOS, davor 7 Jahre mit Microsoft PocketPC Geräten und noch davor - wir sind bereits in den späten 90ern - mit Palm (mein PalmV lebt noch!) wird es langsam Zeit, sich auf die Reise zu begeben.
Weg von proprietären, geschlossenen Systemen mit Ihren Assistenzwanzen1, dem unkontrollierten Abgreifen von Verhaltensdaten, der ständigen Belästigung von einem mehr minder subtilen Nudgeing2 und der latenten Gefahr, einfach “ausgeknipst” zu werden3.
Ich habe beim aktuellen Batch des PinePhones4 zugeschlagen und gebe einen Einblick in meine Reise, an derem Ende irgendwann nichts weniger als der Systemwechsel stehen wird.
Noch sind weder Hardware- oder Software als Consumer- oder Production-Ready zu bezeichnen. Wir reden hier bestenfalls von einer Alpha, die ohne weitergehende Kenntnisse und einer gewissen Hacker-Mentalität für einen Normalbenutzer nichts ist. Genau richtig für mich!
Anders als bewusst schlecht reparierbare Wegwerf-Consumer-Geräte5 ist ein PinePhone konsequent modular und reparabel aufgebaut. Der Akku entspricht dem der Samsung Galaxies und ist für 10,- EUR nachkaufbar. Modem, Board und Cams können wenn es sein muß einzeln getauscht werden. Für die ersten verschickten Batches existieren bereits bestellbare Nachrüst-Mainboards mit den zwischenzeitlich erweiterten RAM und eMMC Speichersteinen der aktuellen Generation. Die Software selbst wird ohnehin laufend weiter entwickelt. Das PinePhone ist eines der wenigen Geräte, die ein System direkt von SDCard booten können.
In den kommenden Monaten werde ich in unregelmäßigen Abständen je nach Zeit diese Serie um den einen oder anderen Beitrag ergänzen. Beginnen möchte ich mit den ersten Eindrücken nach dem Kauf der Manjaro-Community Edition6 mit 3GB RAM, 32 GB Speicher und einem Convergence-Package zum Anschluß von Bildschirm, Maus, Tastatur sowie Ethernet.
Geliefert war die Sendung binnen 3 Tage direkt aus der EU. Besondere Zoll- oder Einfuhrsteuern fielen daher nicht an. Der Preis lag bei umgerechnet ca. 270,- EUR, direkt bestellt im Pineshop. Die Verpackung ist klein und unscheinbar und zeitgleich mit meiner Multi-SIM angekommen. Mein derzeitiges iOS-Smartphone wird parallel weiter betreiben.
So schlimm wie es Golem im Test7 beschreibt empfinde ich die abnehmbare Rückseite des Pinephones nicht. Für mich als iPhone User der ersten Stunde sieht es halt wie jedes andere, typische Android-Gerät aus. Die Hardware als Ganzes liegt mit der Quad-Core Allwinner ARM64 Cortex-A53 CPU8 und seinem IPS-Display mit 1440x720 Pixel bei 271 ppi @ 5,95 Zoll eher im unteren Mittelfeld. Wer von einem aktuellen iOS-Retina-Gerät kommt, spürt eine gewisse “Fallhöhe”.
Gelungen ist der USB3-Convergence-Dock aus robustem Aluminium. Die Privacy-DIP Schalter zum hardwareseitigen Ausschalten von Kameras, Radios oder Microphone und die I2C-Pins9 ergänzen den positiven Gesamteindruck. Die Idee hinter der Implementierung der Pogo-Pins10 ist, dass demnächst Schalen erstellt werden können, die mit zusätzlicher Funktionalität das Gerät erweitern.
Das Manjaro Linux war “vorbetankt”. Für alle, die nach dem Einschalten nach der Pin suchen mussten: “1234”. Um es vorab gesagt zu haben, Manjaro ist für mich Spielzeug und kommt mit unmöglichen, ja gefährlichen Einstellungen daher. Nur ein Beispiel: Jedes Gerät wird mit einem offenen SSH-Server ausgeliefert. Hinsichtlich des Default-Users und der Entropie11 einer PIN aus Zahlen von 0 bis 9 brauchen wir uns nicht weiter zu unterhalten.
Das Schlimme: Das sieht für mich wie eine bewusste Design-Entscheidung aus. Ich sehe die offenen Geräte in der Gegend rumlaufen. Da passt der Gaggelfax mit den zahlreichen mitinstallierten Messenger-Clients mit ins Bild.
Ich kannte Manjaro bisher nicht und empfand die weitere Benutzung von pacman auf dem PinePhone als Schikane. Zum ersten Herumspielen und Kennenlernen aber war es ganz gut. Und mit dem Blick auf Enduser haben so Distributionen wie Mint, Ubuntu oder Manjaro eine gewisse Daseins-Berechtigung. Das Schöne an freier Hardware: Jedem das Seine!
Noch am gleichen Abend griff ich daher zu Mobian12. Dank der bootfähigen SDCard kann wahlweise direkt ein neues Image gebootet werden oder bequem mit dd auf die interne MMC kopiert werden. Noch nie habe ich so schnell und komfortabel ein Image von A nach B schubsen können. Gleichzeitig vermerkte ich jedoch den Punkt “Disk Encryption” auf meiner virtuellen To-Do Liste.
Der erste Eindruck: Mobian fühlt sich “snappier” an. Anders als bei Manjaro klappt die Umstellung der Oberfläche auf die deutsche Sprachversion auf Anhieb.
Doch auch bei Debian lauerte die eine oder andere Überraschung. Ich konnte kein Terminal finden. Aus Verzweifelung wollte ich bereits unter Software nachschauen als mir auf dem Weg dorthin das Icon “Kings-Cross” ins Auge sprang. Aus London gewohnt fragte ich mich, was eine Tube-App auf dem Gerät soll? An die Jungs und Mädels bei Debian gerichtet: Das ist nicht witzig!
Ich bin mit mir selbst noch nicht klar, welchen Browser ich künftig auf dem Gerät nutzen will. Der Gnome Web Browser ist deutlich besser auf ein mobiles Gerät angepasst als der langsamere und irgendwie “alien” anfühlende Firefox.
Zahlreiche fehlende Pakete wie htop, iftop, gnupg, seahorse, net-tools, openvpn, openssh waren schnell installiert. Ich glaube von allen Debianversionen ist das die mit einem latest Gnome ohne auf Sid zu sein.
Da ich denke, dass keiner den vorherigen Satz verstanden hat, findet sich im Wiki eine Übersicht, was noch nicht implementiert ist und/oder nur eingeschränkt funktioniert13, sowie ein Wishlist14.
Der Sync mit meiner Nextcloud und die Übernahme der Kontakte, Aufgaben und Kalendereinträge funktioniert wie bei Gnome gewohnt reibungslos. Von der Installation des fetten Nextcloud Clients habe ich abgesehen. Am Telefon brauche ich nur meine Kontakte und Temine.
Ein Dateizugriff klappt auch mit dem normalen Dateimanager. Enttäuschung gibt es über den noch nicht für kleine Displays angepassten Gnome Kalender. Auch auf gestreamte Musik von meiner Nextcloud via Subsonic/Ampache muß ich erstmal verzichten.
Bis deutlich nach Mitternacht habe ich an meinem Mobian noch rumgefeilt, einen extra Benutzer erstellt, SSH Certs erstellt und die SIM-Pin deaktiviert bekommen. Es ist kein Consumer-Gerät und noch weit davon entfernt, ernsthaft eingesetzt zu werden. Aber die Richtung stimmt. Ich empfehle dringend das Convergence-Package mit zu bestellen, ohne hätte ich mich geärgert.
Die Grundfunktionen klappen und ich bin zuversichtlich, in den kommenden 1-2 Jahren ein arbeitsfähiges Gerät zu haben. Bis es soweit ist habe ich dank Multi-SIM mein bisheriges iPhone im Parallelbetrieb. Ein neues Gerät aus dem Hause Apple wird es nicht mehr geben.
https://netzpolitik.org/2019/schmeisst-die-assistenzwanzen-aus-dem-fenster/ ↩︎
https://blog.jakobs.systems/micro/20201113-mac-ocsp-down/ ↩︎
https://www.golem.de/news/software-restriktionen-kameras-des-iphone-12-nicht-von-dritten-reparierbar-2010-151847.html ↩︎
https://www.pine64.org/2020/08/31/pinephone-manjaro-community-edition/ ↩︎
https://www.golem.de/news/pinephone-im-test-das-etwas-pineliche-linux-phone-fuer-bastler-2010-151515.html ↩︎