Eine All-in-One Wundertüte für PCs der achziger Jahre habe ich unlängst in den USA entdecken dürfen: Das PicoMem Board von FreddyV.1 Diese Steckkarte für den ISA-Bus2 schafft es RAM, Festplatte, Floppydisk, Soundkarte, USB, Bluetooth und sogar ein Netzwerk alten PCs zugänglich zu machen. Allein die Vorstellung, so meinen Schneider Euro-PC3 in’s Internet bzw. dessen Vorläufer4 hängen zu können, hinterließ ein freudiges Kribbeln. Bei einem Preis von knapp 60 USD habe ich sofort zugegriffen (Hinweis: Es kommen noch Zollgebühren für das Shipping nach Europa hinzu).
So sieht das kleine Schätzchen aus: Nomen est Omen eine 8 Bit ISA-Steckkarte mit etwas Speicher und einem Raspberry Pico W.5 Hier vollzieht sich die ganze “Magic”. Ein Linux mit DOSBox6 emuliert in Software die verschiedenen Steckkarten und Controller und “injected” alles wieder zurück in den ISA-Bus. Seine ISO-Images bezieht es von der SD-Card, die es als bootbare Festplatten und Floppy-Laufwerke einbindet. Base-Memory7, XMS8 und EMS9 und sogar das Wifi-Modul des Raspberry Pico W werden ebenfalls emuliert und durchgeschleift. Letzteres wird als NE200010 kompatible Netzwerkkarte in DOS eingebunden wird und mit Hilfe der mTCP11 TCP/IP Tools zugänglich gemacht.
Das Resultat ist eine Art Chimäre12 aus alter und moderner Hard- und Software. Ein wirklich beeindruckendes Konzept und Ingenieurleistung.
Die Software ist komplett Open-Source und von FreddyV liebevoll in einem (leider GitHub) Git-Repo betreut.13 Einfach einstecken und loslegen ist aber nicht. Das Wissen um die alten Konzepte, wie zum Beispiel IRQs und Speicher-Adressen funktionieren, alles zu MS-DOS und dessen freien Ableger FreeDOS14, das wird alles vorausgesetzt.
Bei mir kam noch ein kleiner Makel: Am Euro-PC angeschlossen, braucht das picoMem von extern eine Stromversorgung über USB sowie eine Sekunde “Bedenkzeit” vor dem Einschalten, damit das BIOS den Speicher und die Laufwerke erkennen kann.15 Das picoMem Board wird aber laufend weiter entwickelt und mit jeder neuen Firmware-Version wird es ein Stück besser.
Ein Schneider Euro-PC mit seiner werksseitig nur einen ISA-Schnittstelle ist das ideale Endgerät für genau diese Karte. Den Mangel an freien ISA Steckplätzen habe ich bislang wenig elegant mit einem 3-fach Extender-Board behoben. Auf einer Art horizontaler Riser-Card, aus dem Gehäuse heraus ragend, steckten Lo-Tec XTIDE16, 1MB-Memory Karte17 und eine VGA-Karte zum Anschluß eines modernen Bildschirms. Der MM12 Bernstein-Monitor hat einen eigenen Anschluß, an dem kein heutiger Bildschirm betrieben werden kann. Dieser Steckkarten-Zoo ist selbst mit einem 3D-gedrucktem Rahmen kein schöner Anblick.
Nun reift bei mir die Überlegung VGA und die kleine picoMem in das interne Gehäuse zu verlegen, was eine kleine 2-fach ISA-Risercard mit flexibler Kabelführung erforderlich macht. Aber der Winter ist ja noch lang.
In der Zwischenzeit habe ich mein lang gehegten Wunsch erfüllen können. Die Installation meines geliebten Geoworks Ensemble18 in der Version 2.0. Das war damals für IBM kompatible PC die überlegene grafische Oberfläche, die das Interesse von Apple und Microsoft erregte und beide aufkaufen wollten. In großen Teilen in Assembler programmiert konnte es eine grafische Motif-UI selbst auf schwachen XTs zaubern. In Kombination mit einer für damalige Verhältnisse hochaufgelösten 720×348 Hercules-Grafik19 und einer kompletten Office-Suite aus Geowrite, Geodraw und Geocalc setzte es damals Maßstäbe. Es lebt bis heute als grafischer Open-Source Aufsatz für Retro-Computer.20
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Ich habe es damals nie auf dem Euro-PC installieren können, da die 512 KB RAM zu klein und mir als Jaust das Geld für eine 20 MB Festplatte fehlte. Erst einige Jahre später war mir das Anfang der 1990er auf einem Vobis Highscreen 386DX mit 25 Mhz möglich.
In diesem Sinne,
Euer Tomas Jakobs