25. Januar 2025, 17:00
Lesezeit: ca. 4 Min

Enroute im Praxiseinsatz

Vor einigen Jahren habe ich die Software Enroute1 vorgestellt und war sofort begeistert.2 Endlich eine “uncluttered” App sowohl für (Linux-)Desktop und mobile Endgeräte zur VFR-Navigation und Planung. Das auch noch in frei und Open Source und für ganz Europa. Seitdem hat sich viel getan. Auf diversen Touren habe ich Enroute auf die Praxistauglichkeit testen können. Von einer dieser Reise möchte ich hier berichten.

Neues bei Enroute

Die von mir 2022 noch kritisierte Situation in Hinblick der restriktive Handhabung von Kartenmaterial und Fluginformationen in Deutschland hat sich verbessert. Das DFS-Portal für die allgemeine Luftfahrt3 bietet nicht nur eine im Browser frei zugängliche AIP mit allen Anflugkarten (VAC) deutscher Flugplätze.4 Es steht auch eine nutzbare Web-API zum Abruf für Drittanwendungen zur Verfügung. Bravo!

Ein solches Drittprogramm ist beispielsweise das kostenlose, leider unfreie AIPBrowserDE.5 Mit diesem können Trip-Kits mit dem offiziellen Kartenmaterial erstellt werden. Enroute kann diese Daten importieren und geo-referenziert in der Moving-Map einblenden.6 Weitere Detailverbesserungen in Handhabung und Informationsaufbereitung runden die Nutzung ab. Die Schriftgrößen für verschiedenen Endgeräte sind frei wählbar oder abgeleitete Wetter-Infos (z.B. Dichtehöhe) aus den METAR-Daten werden mitangezeigt.

Aus der Praxis

Missionsziel war im Winter 2022 die Überführung eines beim Hersteller reparierten Sportflugzeuges zurück zu Ihrem Besitzer. Es ging von Prievidza in der Slowakei nach Münster in Deutschland. Einmal 900km quer durch Europa crossborder durch Slowakei, Tschechien und Deutschland. Klingt nicht nach einer Herausforderung. In den letzten Jahren war ich länger und weiter in den skandinavischen Weiten bis zum Nordkap unterwegs.7

Screenshot von Enroute mit den Luftgebieten von TschechienScreenshot von Enroute mit den Luftgebieten von Tschechien

Die Jahreszeit ist bei dieser Mission die Besonderheit. Tiefster Winter mit Schnee und Frost. Die effektiv bei Sichtflugbedingungen fliegbare Zeit reduziert sich in den kurzen Wintertagen auf nur wenige Stunden. Gleichzeitig ist für alles mehr Zeit einzuplanen und auf Dinge zu achten, die üblicherweise im Sommer keine Relevanz haben. Herausforderungen und Risiken gab es einige:

  • Kurze Vorbereitungszeit. Überführungsaufträge kommen meist spontan und kurzfristig. Nach dem Anruf am Vortag des geplanten Fluges ging es sofort per Linienflug nach Wien und anschließend in einer nächtlichen Taxi-Fahrt von Wien nach Prievidza in der Slowakei. Ankunft im Hotel war kurz vor Mitternacht. Die Übernahme der Maschine bereits für 9:00 Uhr angesetzt. Für Planung, MET- und NOTAM Briefing sowie Aufgabe des Flugplanes blieb nicht viel Zeit und erfolgte kurz nach dem Aufstehen aus dem Hotelzimmer heraus.

  • Der Startplatz LZPE liegt weniger als eine Flugstunde von der Westgrenze der Ukraine entfernt und es gab zahlreiche NOTAMS und aktive militärische Sperrgebiete entlang der Strecke zu beachten.

  • Durchflug des kontrollierten Luftraumes um die Metropole Prag in Tschechien.

  • Finden eines geeigneten Flugplatzes zum Zwischentanken in Deutschland. Aufgrund vereister Pisten an diesem Tag kein leichtes Unterfangen. Ursprünglich geplant war dafür der Flugplatz EDCJ Chemnitz Jahnsdorf. Kurz nach Start war klar, dieser blieb am heutigen Tag geschlossen und ich musste auf mein größeres Alternate EDAC Leipzig ausweichen.

Flugplanung am Laptop im HotelzimmerFlugplanung am Laptop im Hotelzimmer

Das Einbinden der europäischen Karten in Enroute ist vorbildlich gelöst. Alle relevanten Lufträume können sowohl auf Linux-Notebook, als auch iOS-Tablet und Android-Navi-Smartphone schnell geladen werden. Nicht zu unterschätzen ist die Eigenschaft von Enroute, alles komplett offline vorhalten zu können. Einzig ein Sync via WebDAV und der eigenen Nextcloud wäre wünschenswert.

Das ist das zu überführende Flugzeug, kurz vor dem Start im winterlichen PrievidzaDas ist das zu überführende Flugzeug, kurz vor dem Start im winterlichen Prievidza

Der eigentliche Flug war dank der Vorbereitung unproblematisch und Entspannung pur. Auf FL70 habe ich die slowakische und tschechische Wintermärchen-Landschaft von oben genießen können. Etwas Arbeit gab es durch die häufigen Frequenzwechsel und der Lotsen-Staffelung im kontrollierten Luftraum Prag herum. Und im Decent sorgte leichte Eisbildung auf den Flächen in dunstiger Bodennähe für zusätzliche Spannung.

Blick ins Flightdeck auf FL70 über TschechienBlick ins Flightdeck auf FL70 über Tschechien

Im Plan berücksichtigt war eine großzügige Zeitreserve zum Nachtanken, die ich auch voll ausnutzen musste. In der klirrenden Kälte wollte die vollgetankte Maschine nicht mehr anspringen. Doch das Problem war schnell behoben und die Verspätung konnte ich im Flug wieder herausholen. Wie geplant landete ich rechtzeitig mit den letzten Sonnenstrahlen in EDLT Münster. Die Überführung konnte erfolgreich am gleichen Tag beendet werden.

Wintermärchen-Landschaft während des FlugesWintermärchen-Landschaft während des Fluges

Mit Enroute lassen sich auch kurzfristige Flüge quer durch Europa schnell und zuverlässig planen. Das erfolgt üblicherweise am Laptop. Für die Flugdurchführung nutze ich ein iOS-Tablet. Und sollte etwas schieflaufen habe ich alles noch auf meinem dedizierten Android-Smartphone als Backup. Im Crosscheck mit den verfügbaren DWD Online-Diensten sowie der eingebauten Garmin-Avionik des Flugzeuges konnte ich keine Abweichungen oder Fehler feststellen. Bei keinen meiner Flüge der letzten Jahre. Für mich als Sichtflieger ist Enroute ein vollwertiger Ersatz für kommerziell vertriebene Software. Großes Lob!

Drei Anregungen hätte ich an das Entwicklungsteam von Enroute, die dieses wunderbare Stück Software in Ihrer Freizeit betreuen:

  • Eine Sync-Funktion von Planungen via WebDAV mit der eigenen Nextcloud
  • Ein Hosting des Projektes bei Codeberg8 und nicht Microsoft GitHub.
  • Ein Installationspaket für F-Droid

In diesem Sinne,
Euer Tomas Jakobs

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