Wir schreiben das Jahr 2025 - sechzig Jahre nach der ersten Email.1 Und trotzdem haben viele dieses Medium nicht verstanden. Besonders Menschen in Unternehmen mißbrauchen regelrecht das täglich eingesetzte Werkzeug mit einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Ignoranz. Es geht um Disclaimer, jenem Quatsch am Ende von Mails:
Diese E-Mail enthält vertrauliche und/oder rechtlich geschützte Informationen. Wenn Sie nicht der richtige Adressat sind oder diese E-Mail irrtümlich erhalten haben, informieren Sie bitte sofort den Absender und vernichten Sie diese Mail. Das unerlaubte Kopieren sowie die unbefugte Weitergabe dieser E-Mail ist nicht gestattet.
Was nach juristischer Absicherung klingt, ist in Wahrheit Paradebeispiel der Selbsttäuschung. Oder deutlicher formuliert: Es ist Bullshit!
Wer glaubt, mit einem solchen Geschreibsel Verantwortung abzugeben, zeigt gleich auf mehreren Ebenen seine fachliche Kompetenz. Tatsächlich kann ein solcher Quatsch genau das Gegenteil bewirken: Wer sensible Einlassungen im Klartext für jeden lesbar per Email verschickt und gleichzeitig einen solchen “Haftungsausschluss” dahinter pappt, gibt zu, fahrlässig zu handeln. Glückwunsch für das schriftlich abgegebene Schuldeingeständnis.2
Noch absurder ist die Vorstellung, Empfänger einer solchen Mail seien zu irgendetwas verpflichtet. Juristisch betrachtet sind Disclaimer nichts als einseitig abgegebene Willenserklärungen.3 Kein Vertrag, keine Zustimmung, keine rechtliche Bindung. Punkt.
Nein, Disclaimer sind auch nicht das gleiche wie allgemeine Geschäftsbedingungen. Wer das als Schutzbehauptung in die Diskussion wirft, sollte sich ernsthaft fragen, wie lange die letzte juristische oder kaufmännische Weiterbildung her ist. Für eine wirksame Einbeziehung einer AGB ist die Akzeptanz aller Vertragsparteien erforderlich. Das ist zentrales Prinzip des Vertragsrechts.4 Disclaimern mangelt es genau an dieser. Da ist auch nichts durch ein Abstellen auf ein konkludentes Handeln5 zu holen, nichts zwischen den Zeilen und noch weniger nach Auslegung oder Würdigung aller wohlmeinender Umstände. Es ist und bleibt Bullshit!
Der Gipfel der Peinlichkeit ist erreicht, wenn solche Emails noch aufwändig formatiert werden. Im schönsten HTML-Briefpapier wie das bei Outlook heißt. Verpackt in einem Corporate-Design mit Logo. Nicht einem, nein mit allen Logos von Zertifikaten oder Testaten, die aufzutreiben sind. Am besten noch mit dem gutgemeinten Zusatz, die Umwelt bitte zu schonen und keine Mails auszudrucken.
Nur um das in die richtige Dimension zu rücken: Das ist, als würde man einen 80g A4-Brief in einem 20t Seecontainer als Umschlag verschicken. Hübsch im Corporate-Design bemalt natürlich.
Das ist der Moment, wo ich anfange im Strahl zu kotzen. Wenn aus wenigen Bytes Inhalt megabytegroße Emails werden, ist das mehr als Ahnungslosigkeit. Das ist Ignoranz gegenüber der Umwelt und allen Empfängern, die das auf Ihren Geräten - ob unterwegs oder im Büro - herunterladen und meist auf Jahre aufbewahren.
Nebenbei angemerkt, ein Absender mit solchem multi-part MIME-Codemüll6 riskiert, von Spam- und Sicherheitsfiltern schneller abgewiesen zu werden. Oder schlimmer: Am anderen Ende sieht ein Empfänger nur noch Kauderwelsch. Oder eine leere Email mit einer einzelnen TNEF7 Anlage.
“You have been warned” wenn sowas ungelesen dort landet, wo es hingehört - im Müll.
In diesem Sinne,
Euer Tomas Jakobs
P.S. Bitte teilen, damit dieser Wahnsinn endlich aufhört!