Vor einiger Zeit habe ich in meinem Beitrag “Vom Messdiener zum digitalen Ketzer”1 über meinen Weg in die digitale Unabhängigkeit geschrieben. Daraufhin erreichten mich Fragen nach meinem Tech-Stack. Eine berechtigte Frage, schnell und gerne von mir beantwortet:
Ich setze auf freie Lösungen mit GNU/Linux Debian2 als Grundlage. Stable3 auf Servern und kritischen Systemen, unstable oder “sid” auf meinem Arbeitsgeräten. Für mich die ideale Balance zwischen notwendiger Robustheit und Aktualität.
Gebrauchte Hardware
Grundsätzlich kaufe ich meine Hardware, von Festplatten und Displays abgesehen, gebraucht. Das hat nicht nur mit Nachhaltigkeit zu tun, sondern mit Pragmatismus und Standardisierung.
Mein aktueller Daily-Driver, ein ThinkPad T480 begleitet mich nun schon seit etwa 5 Jahren. Damals für ca. 400,- EUR zu einem Bruchteil des Neupreises gekauft, kostet es aktuell nur noch 180,- Euro und läuft mit GNU/Linux absolut zuverlässig und performant auch noch in den kommenden Jahren.
Ich betrachte Hardware als Gebrauchsgegenstand. Sie darf Kratzer haben, runterfallen oder kaputt gehen. Ein neues Ersatzgerät liegt griffbereit im Regal. Das macht niemand mit hochpreisigen Geräten.
Anders als bei proprietären Systemen mit ihren komischen Dingen wie Lizenz-Keys und Zwangsaktivierungen ist ein Hardwarewechsel in meinem Setup völlig unproblematisch: Im Idealfall einfach nur die Festplatte tauschen oder Image einspielen und weiter geht’s.
Alle relevanten Dinge liegen eh redundant in meiner Infrastruktur.
Die eigene Infrastruktur
Ich predige nicht nur, dass Unternehmen ihre eigene Infrastruktur betreiben sollten, ich lebe dieses Prinzip. “Lead by example”4 oder bei Softwareprodukten auch “Dogfooding”5 genannt.
Mein persönliches Arbeitszentrum besteht aus einer selbstgehosteten Nextcloud6, die Termine, Kontakte, Aufgaben und lose Dateien verwaltet.
Ergänzt wird sie durch einen Forgejo7 Git-Server und mehrere virtuelle Maschinen auf einem Proxmox-Hypervisor.8 Die Entwicklung zu dieser Architektur habe ich bereits in einem früheren Blogbeitrag beschrieben.9

Über ein Reverse-VPN sind die einzelnen Hosts in meinem Homeoffice mit einem angemieteten Rootserver bei einem ISP verbunden und dadurch öffentlich erreichbar (z.B. unter cloud.jakobs.systems). Reverse heißt es deswegen, weil sich aktiv die jeweiligen Server mit Ihren Diensten mit einem Reverse-Proxy10 verbinden und nicht umgekehrt, die Clients.
Lediglich mein Linux-Mailserver sowie mein Videokonferenz-Server mit BigBlueButton11 laufen beide außerhalb auf weiteren angemieteten Rootservern. Selbstverständlich mit Serverstandort in Deutschland, bei einem europäischen ISP.
Zur Netzwerksicherheit setze ich auf ipfire.org12 als Firewall und Segmentierungs-Gateway. Darauf laufen u.a. ein Suricata13 als IDS/IPS14 sowie Monit15 zur Zertifikatsüberwachung.16 Das alles in einem abgetrennten Netzwerksegment hinter einer FritzBox, die das WLAN für die restliche Familie bereitstellt.
Ein dedizierter Host übernimmt das Remote Logging und Monitoring mit rsyslog17 und Prometheus18. Meine Grafana-Dashboards habe ich in einem älteren Blog-Beitrag vorgestellt.19
Videokonferenzen
Videokonferenzen und “Live-Sessions” gehören nicht erst seit den Corona-Lockdowns zu meinem Alltag. Manchmal bekomme ich das Feedback:
Herr Jakobs, warum sehen Ihre Videokonferenzen eigentlich immer so professionell aus?
Was mir zeigt, dass ich diese nicht ganz so verkehrt mache. Ich antworte meist diplomatisch mit “Keine Ahnung”. Ich lege Wert auf gute Ausleuchtung und ein gutes Headset. Zwei einfache LED-Studiolampen sorgen für das gute Licht. Beim Audio verlasse ich mich auf ein Arctis Pro Wireless,20 kabellos mit Hardware-Mute-Taste direkt am Headset.
Schon seit Mitte der 2000er arbeite ich remote. Bereits damals experimentierte ich mit mehreren Kameras, wie ein Blick auf meinen Arbeitsplatz von 2007 zeigt (die schwarzen Kugeln auf den Monitoren):

Schon damals trennte ich strikt zwischen einem dedizierten Konferenzrechner und einem mobilen “Daily-Driver” als Arbeitsgerät. Ein Prinzip, dem ich bis heute treu geblieben bin. Vergleicht man die Bilder, hat sich an der grundsätzlichen Struktur und Anordnung kaum etwas geändert.

Was sich dagegen deutlich weiterentwickelt hat, immerhin liegen 18 Jahre dazwischen, das ist mein Technik-Stack für Video- und Streaming-Setups:
- OBS Studio für Regie- und Szenensteuerung
- Streamdeck für den Szenenwechsel
- Owncast für Livestreams
Das OBS Studio21 bildet das Herzstück meiner Videokonferenzen. Ich habe dort mehrere Szenen vorbereitet (z.B. “Willkommen” oder “Pause”). Mit Retro-Filtern erzeuge ich bewusst leichte Störungen, damit niemand denkt, das Bild sei eingefroren. Der Szenenwechsel erfolgt über ein Streamdeck, dessen programmierbare Tasten ich mit der freien Software StreamController konfiguriere.22

Bei Präsentationen nutze ich bei Bedarf neben einem Noname HDMI Splitter auch einen Elgato Cam Link USB-Adapter, der beliebige HDMI-Ausgabequellen in das OBS einspeist.

Zum Live-Streaming direkt auf meinem Blog23 kommt die Open Source Software Owncast24 zum Einsatz, die ich speziell für meine Zwecke angepasst habe. Während der Corona-Lockdowns habe ich zahlreiche “Live-Sessions” so abhalten können.25
Fazit
Mein Homeoffice ist nicht “von der Stange”. Es ist pragmatisch, integriert, robust und im Laufe der Jahrzehnte gewachsen. In weiten Teilen automatisiert mit einem sehr geringen administrativen Overhead. Alles, was ich nutze, kann ich verstehen, anpassen und notfalls ersetzen.
Das sind für mich wahrer Luxus und echte Freiheit in einer zunehmend geschlossenen, digitalen Welt voller Abhängigkeiten, geplanter Obsoleszenz26 und fehlender Flexibilität.
Ich bin der festen Überzeugung, was ich kann, das ist nichts Besonderes und sollte erst recht jedes Unternehmen können.
Einfach kontaktieren, ich helfe gerne weiter.
In diesem Sinne,
Tomas Jakobs